Der Tempel Wat Chedi Ai Kai

Hähne, überall Hähne: Der Tempel Wat Chedi Ai Kai

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Die Luft flimmert, es ist heiß, sehr heiß, und so verschwimmen vor meinen Augen Traum und Realität. Sehe ich gerade tatsächlich hunderte und aberhunderte Hahnenskulpturen am Strassenrand stehen, oder bilde ich mir das ein? Nach Größe sortiert, in knalligen Farben bemalt, manche mit unzähligen kleinen Spiegeln beklebt, stehen sie entlang des Grünstreifens auf der Straße nach Nakhon Si Thammarat. Manches Getier ist nur so groß wie meine Hand, anderes ist baumhoch. 

Wie sich herausstellt handelt es sich bei dem Gips-Geflügel um die Schaufensterauslage unzähliger Geschäfte, die unmittelbar nebeneinander liegen, mit dem immergleichen Sortiment: Hähne.

Souvenirs der besonderen Art am Wat Chedi Ai Kai

Aber warum nur? Und was macht man damit?

Es kommt aber noch doller. Wir biegen ab in einen Feldweg und stehen inmitten eines Hähne-Friedhofs. Die Hitze schlägt mir offensichtlich aufs Gehirn. Halluziniere ich, oder sehe ich da gerade wirklich tausende Hähne, verteilt über ein Gelände so groß wie ein Fussballfeld? Im Gegensatz zu den geordneten Reihen vor den Hühnershops an der Strasse, stehen sie wild durcheinander - in allen Farben, Formen und Größen. Die meisten sehen schon etwas mitgenommen aus, die Farbe blättert, der ein oder andere Flügel fehlt, oder der Kamm ist abgebrochen. 

Der Hühnerfriedhof des Wat Chedi Ai Kai

Die Sache wird immer rätselhafter.

Nach einer kurzen Wanderung über das kunterbunte Feld, steigen wir wieder ins Auto und weiter geht die Fahrt zum dem geheimnisvollen Ort, an dem all diese Hähne ihre Bestimmung haben - ins Wat Chedi Ai Kai. Der vor dem Tempel liegende riesige Parkplatz lässt vermuten, dass durchaus der ein oder andere Pilger seinen Weg hierhin findet. Die Sonne brennt erbarmungslos vom Himmel und rythmische Trommelmusik liegt in der heißen Luft. Jetzt habe ich endgültig den Verstand verloren und bin schwitzend und derilierend in ein Hühnerwunderland hinübergeglitten. 

Neben mir auf dem Parkplatz stehen zwei gigantische Rooster, ihre spiegelnde Oberfläche funkelt mich an, sie wirken etwas bedrohlich. Aber bevor ich jetzt ganz durchdrehe, bewege ich mich in Richtung des großen, schneeweissen Chedis. Die imposante Stupa dominiert das Gelände, und ist umringt von diversen großen Hallen, in denen die Besucher Opfergaben niederlegen, oder Feuerwerk kaufen können. Von unserer reizenden, und sehr kundigen Reiseführerin lerne ich, dass das Feuerwerk hier eine wichtige Sache, und entscheidender Teil des Zeremoniells ist. Aber um was genau handelt es sich hier, wem wird hier gehuldigt, und was haben die Hähne damit zu tun?

Wat Chedi Ai Kai
Wat Chedi Ai Kai

Bevor ich der Sache endlich ultimativ auf den Grund gehe, schlendere ich noch ein wenig über das Tempelgelände, magisch angezogen von der, in der Luft liegenden Trommelmusik. Von weitem sehe ich schon eine große Gruppe tanzender Menschen, die sich im Kreis bewegen. Laut lachende, offensichtlich sehr gut gelaunte Pilger, die mit den Armen rudern. Je näher ich der Gruppe komme, desto offensichtlicher wird: Das engagierte Winken gilt mir, ich soll mittanzen. Ich ziere mich ein wenig, habe aber keine Chance zu entkommen, kurze Zeit später tanze ich mit den Pilgern im Kreis, auch wenn ich nicht die leiseste Ahnung habe, worum es hier eigentlich geht. 

Mehrere getanzte Runden später verabschiede ich mich lachend von den freundlichen Mittänzern, und suche Schatten in einer der Gebetshallen. Aufgereiht am Rand des weitläufigen, nach allen Seiten offenen Gebäudes, finden sich mehrere Altäre auf denen sich alle die gleiche, etwa einen Meter hohe goldene Statue eines Jungen befindet. Ich lerne: das ist Ai Kai, der Namensgeber des Tempels. Ai Kai trägt einen auffälligen Haarknoten auf der Mitte des Kopfes. Jede der Figuren ist anders gekleidet. Manche tragen Sonnenbrillen, militärisch aussehende Hemden und Hosen mit Camouflagemustern. Wenn ich vorher schon leicht verwirrt war, trägt dieses Szenario bei mir jetzt erst recht nicht zur Klärung der Sachlage bei. 

Wat Chedi Ai Kai

Ich brauche definitiv Hilfe in Form unserer Reiseführerin, die Licht in mein Dunkel bringen soll. Im folgenden versuche ich die Geschichte so wiederzugeben, wie ich sie verstanden habe. Da mag es sicher noch die ein oder andere offene Frage geben, aber man muss ja schliesslich auch nicht alles erklären.

Also…vor einigen Jahrhunderten war ein Junge namens Ai Kai in Begleitung eines Mönchs auf Pilgerfahrt. Der Mönch ließ den Jungen bei einem Kloster zurück, damit er dem Ort in Zukunft Gnade und Wohlstand bringen solle. Der Junge wurde schnell für seine Fähigkeit geschätzt die Probleme aller die ihn darum baten zu lösen, insbesondere die mit ihrem Vieh. So wurde er trotz seiner sehr ungezogenen Art sehr beliebt. Sein trauriges Ende kam kurz nachdem er erfahren hatte, dass der Mönch zum Kloster zurückkehren würde. Aus Angst den Ort verlassen zu müssen und seine Versprechen, die er den die Dorfbewohnern gegeben hatte zu brechen, lief der Junge in einen Tempelteich und ertränkte sich. Sein unsterblicher Geist verweilt jedoch bis zum heutigen Tag und beschützt die, und hilft denen, die ihn anrufen.

Heute heißt das Kloster, das sich in der Nähe von Sichon in Nakhon Si Thammarat befindet, Wat Chedi Ai Kai, und der Geisterjunge ist einer der berühmtesten Geister Thailands, was in etwa dem Status eines Popstars gleichkommt. Angesichts der Pandemie, die stellenweise wirtschaftliche Verzweiflung im Land hinterlassen hat, kommen nun täglich Tausende Gläubige zum Wat Chedi Ai Kai, um seinen heiligen spirituellen Beschützer um Hilfe zu bitten, zum Beispiel um Glück bei der Lotterie.

Ai Kai, der Hühnerjunge

Und was hat es nun mit den tausenden von Hähnen auf sich?
Eine der Antworten lautet, dass Ai Kai ein Freund des Hahnenkampfs war, weswegen die Gläubigen Hähne zum Tempel bringen um den Geist des Jungen positiv zu beeinflussen. Andererseits wurde mir berichtet, dass die Gläubigen die Hähne erst nach erfolgreicher Geldvermehrung vorbeibringen, und die Größe des gespendeten Hahns von der Größe des neuen Vermögens abhängig sei, so wie übrigens auch die Menge des gezündeten Feuerwerks. Je mehr Geld durch die Opfergaben an Ai Kai zusammenkommt, desto lauter und länger kracht es. Der Hahn gilt im übrigen in ganz Thailand als Symbol für Reichtum und Wohlstand.

Hätten wir das auch geklärt. 

Und was hat es mit dem Hahnenfriedhof auf sich? Da stehen und liegen all die abgelegten Exemplare, die ihre Pflicht und Schuldigkeit bereits getan haben, und für die im Tempel kein Platz mehr ist. 

Warum Ai Kai allerdings Sonnenbrillen so gerne mag, konnte ich leider nicht aufklären...

Der Tempel Wat Chedi Ai Kai
Gabriele Dünwald vom SoiBlossom Blog
Gabriele Dünwald von SoiBlossom

In ihrem Blog SoiBlossom teilt Gabriele Dünwald leidenschaftlich Subjektives über Thailand und Asien.