Chantaburi - Stadt der Edelsteine

Chantaburi - Stadt der Edelsteine

Es ist laut, wie auf einem Bazar. Ich stehe in einer engen Gasse und ringsherum beugen sich Menschen dichtgedrängt über kleine Schreibtische. An einem Tisch hört man sie aufatmen und staunen. An einem anderen ein paar ablehnende Gesten und Kopfschütteln. Überall wird diskutiert und verhandelt. Dort wo gerade keiner steht stechen die Objekte der Begierde direkt ins Auge. Sie funkeln rot, blau, pink und grün: Rubine, Saphire, Topase und Smaragde. Ich bin auf einem der geschäftigsten Edelsteinmärkte der Welt: dem Gem Market an der Si-Chan Road in Chantaburi.

Schon im 15. Jahrhundert berichteten Besucher Siams von den fabelhaften Schätzen, die Dorfbewohner in den Bergbauprovinzen Chantaburi und Trat beim Bestellen ihrer Felder entdeckten. In den 1960er Jahren schaffte es Chantaburi sogar zur weltweiten Rubinenhauptstadt aufzusteigen. Der wunderbare Siam-Rubin war weit bekannt und sehr begehrt. Doch schon in wenigen Jahrzehnten waren die Vorkommen erschöpft und die Minen schlossen. Gleichzeitig hatten sich Chantaburis Menschen aber auch weiterentwickelt. In der Stadt lebten nun qualifizierte Schleifer, mitsamt den Einrichtungen für das Brennen und Behandeln von Edelsteinen. Als die Edelsteinvorräte zu Hause zur Neige gingen, reisten die Händler ins Ausland um Rubine, Saphire und andere Steine zur Behandlung und zum Schleifen nach Chanthaburi zurückzubringen. Heute schätzt man, dass die meisten Edelsteine der Welt auf ihrer Reise irgendwann auch durch das Edelsteinmekka Thailands kommen. Heute repräsentiert die Edelsteinbranche den drittwichtigsten Industriesektor in Thailand und beschäftigt über eine Million Menschen.

Trotz dieser erstaunlichen Zahlen sieht das hier im Edelsteinmarkt noch alles recht beschaulich aus. Neben dem Straßenhandel reiht sich ein Ladengeschäft oder Handelsbüro an das andere. In einigen Gebäuden sind einfache Auktionsäle untergebracht. Hier können sich Händler aus aller Welt mit ihren Schätzen einen kleinen Tisch mieten und ihre Ware feilbieten. Und in den privaten Hinterzimmern der Stadt soll man die rarsten Stücke zu Gesicht bekommen – sofern man die richtigen Kontakte hat. Ich selbst bin keine Expertin und beobachte das Treiben ganz gelassen, anstatt mich selbst auf einen Handel einzulassen. Jedenfalls bin ich nun deutlich informierter. Ein Besuch der diversen Ausstellungen und Edelsteinmuseen lohnt sich. Irgendwann bekomme ich aber Hunger und sehne mich nach etwas Ruhe. Ich ziehe mich ein paar Gassen weiter zurück und probiere mich etwas bei den Streetfoodhändlern durch. Auch dafür ist Chantaburi bekannt. Und ganz besonders für sein Obst.

Die Nachspeise ist also vorprogrammiert: Orangen, Ananas, Durian, Rambutan Mangos oder Mangosteen. Ich liebe Mangosteen und bekomme nicht genug von den saftig-süßen Samen. Glücklich und satt spaziere ich als nächstes in die nahegelegene Chantabun Waterfront Community an der Sukhapiban Road. Seit über 300 Jahren tummelt sich hier eine aktive Siedlung entlang eines ein Kilometer langen Abschnitts des Chanthaburi-Flusses. Einst galt sie als die Chinatown von Chanthaburi. Die Gemeinde ist jedoch ein Schmelztiegel chinesischer, thailändischer und vietnamesischer Einflüsse. Auch heute ist die Straße von alten Holzhäusern gesäumt, die von thailändischer, chinesischer, vietnamesischer und sogar portugiesischer Architektur beeinflusst sind. Bezaubernde Ladenhäuschen im französischen Stil, historische Mini-Schreine und funky Straßenkunst in engen Gassen reihen sich hier aneinander. Viele der denkmalgeschützten Gebäude wurden neu eingerichtet und renoviert und zu süßen kleinen Cafés und Restaurants, sowie zu Boutique-Hotels, umgebaut. Ich besuche auch das Community Learning Center an der Hausnummer 69. Es ist ein kleines Museum, das 2010 von der Gemeinde gegründet wurde. Es beherbergt eine Sammlung von Fotos, Kunstwerken und Details zur Geschichte bestimmter Häuser und ihrer Besitzer. Jetzt bewundere ich die einzelnen architektonischen Juwele und die Straßenkunst mit einem viel persönlicheren Auge. Wer möchte, kann hier außerdem familiäre Workshops zum Edelsteinschleifen oder Süßgebäck backen besuchen. Chantabun ist ein echter Hipstertraum und das Tempo der Menschen ist hier total easy und gemütlich! Nach einigen wunderbaren Stunden quere ich den Fluss über eine Brücke und gelange so direkt auf den Vorplatz von Chantaburis Kathedrale.

Der Kirchplatz ist großzügig. Es ist ein Ort zum Durchatmen im sonst so dichten Gedränge der Stadt. Hübsche einstöckige Häuschen umsäumen ihn und geben dem Ganzen einen fast schon dörflichen Charme. Die Kirche selbst erinnert tatsächlich an ihr Vorbild, die Notre Dame in Paris. Wenngleich sie deutlich farbenfroher und frischer dasteht und außerdem, im Vergleich zu ihrem Vorbild, mit hohen Turmspitzen auf beiden Glockentürmen prahlen darf. Die Kathedrale der Unbefleckten Empfängnis wurde 1909 fertiggestellt und gilt immer noch als größte und schönste christliche Kirche Thailands. Ich laufe am Springbrunnen vorbei und trete durch das Hauptportal ein. Ich bin sehr gespannt auf das berühmte Meisterstück dieser Kathedrale: eine Statue der Jungfrau Maria, die mit Gold, kostbaren Edelsteinen und Emaille überzogen ist. Trotz des ebenfalls farbenfrohen Inneren der Kirche, ist die Statue unübersehbar. Das Blau ihres Mantels besteht aus Tausenden von Saphiren aus den umliegenden Gebieten. Der Rest der Statue ist mit weißen Saphiren, thailändischen Rubinen und Hunderten von gelben und orangefarbenen Saphiren aus Chanthaburi und anderen Ländern verziert. Wieder staune ich: Zum einen beeindruckt mich die Fertigkeit der einheimischen Künstler sehr. Zum anderen ist es unglaublich was die Erde für Reichtümer preisgibt.

Ich frage mich, was sonst noch alles dort draußen verborgen liegt. Rauszufinden wo die vielen Edelsteine ihren Ursprung haben, reizt mich sehr. Eine Minentour wäre vielleicht interessant. Oder vielleicht doch lieber eine Obstplantage besuchen und mich an noch mehr süßen Leckereien erfreuen? Und wie so oft in Thailand, ist auch hier das Meer nicht weit. Ich trete wieder auf den Vorplatz und freue mich, erst gerade angekommen zu sein. Denn es gibt noch soviel mehr zu entdecken, in Chantaburi, dem geheimen Juwel im Osten Thailands.

Kommentar hinterlassen
Die eingegebene E-Mail-Adresse wird vor dem Speichern unwiderruflich verschlüsselt und dient nur zur Darstellung des Avatars. Mit dem Absenden stimmst du zu, dass die eingegebenen Daten gespeichert und in Form eines Kommentars dargestellt werden dürfen.