Es funkelt und glitzert, bunte Neonröhren flackern, es duftet nach gebratenem Fisch und Popcorn. Riesige weiße Zelte beherbergen Marktstände, mit so ziemlich allem, was das einkaufsfreudige Herz begehrt, – Streetfood, Mode, Korbwaren, Haushaltsartikel, Fahrräder und und und. Eigentlich sieht es aus, wie auf jedem klassischen, thailändischen Markt. Aber wir sind nicht auf einem gewöhnlichen Markt, denn die bunt geschmückten Buden und Zelte gruppieren sich um einen gigantischen Parkplatz auf dem sich unzählige schwarze Pickup Trucks befinden. Was hat das alles zu bedeuten?
Den entscheidenden Tipp für unseren Ausflug, bekommen der Reisegefährte und ich von der reizende Rezeptionistin unseres Guesthouses in Chantaburi. Sie erzählt uns, dass jedes Jahr im Februar und März eine buddhistische Wallfahrt zum Khao Phra Bat Gipfel im Kitchakut Nationalpark stattfindet. Das sollten wir uns doch unbedingt anschauen, schon wegen der spektakulären Aussicht.
Und da sind wir nun am Fuße des Berges, inmitten von etlichen thailändischen Großfamilien, stehen in der Schlange, und warten bis einer der Trucks für uns frei wird. Damit haben wir nicht gerechnet. Wir wissen nicht im mindesten, was uns erwartet, laufen aber einfach mal in die Richtung in die alle anderen Besucher auch laufen. Mit dieser Taktik haben wir schon früher gute Erfahrungen gemacht, und werden auch dieses Mal definitiv nicht enttäuscht.
Nach einigen Minuten besteigen wir, gemeinsam mit einer jungen Familie mit mehreren kleinen Kindern, die offene Ladefläche des Pickups. Die PS-starken Giganten sind extra für diesen Zweck ausgestattet. Gegenüberliegende Bänke bieten Platz für etwa acht Personen, und ein Geländer zum Festhalten gibt es auch, und das werden wir auch noch brauchen. Unsere Mitfahrer lächeln uns aufmunternd zu, sie wissen offensichtlich bereits was uns erwartet und freuen sich schon sehr.
Kurze Zeit später bleibt uns förmlich die Luft weg, denn unser Truck schießt mit ordentlichem Tempo über eine schlammige, nicht asphaltierte Piste, in einem gefühlten Winkel von 45 Grad den Berg hinauf. Die Kinder, von ihren Eltern fest umarmt, kreischen vor Vergnügen, die Erwachsenen kichern begeistert. Das Ganze fühlt sich an, wie ein Trip auf einer schlingernden Achterbahn, und mir schlägt das Herz bis zum Hals.
Gleichzeitig kommen uns auf der engen Fahrbahn auch noch Trucks mit einem Affenzahn entgegen. Eine Wallfahrt hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt. Mit der Zeit entspanne ich mich, und kann das unglaubliche Spektakel sogar genießen. Die Strecke führt uns konstant - beinahe senkrecht – durch den Dschungel, etwa auf die halbe Höhe des Berges. Nach einer halben Stunde ist der Spuk vorbei. Atemlos und komplett durchgeschüttelt, verabschieden wir uns lachend von unseren Mitreisenden, und machen uns gemeinsam mit gutgelaunten Pilgern zu Fuß auf den Weg zum eigentlichen Ziel der Wallfahrt, dem Gipfel des Khao Phra Bat.
Der Weg führt weiter steil bergauf. Vorbei an mit farbigen Bändern geschmückten Bäumen, und begleitet vom Sound singender Mönche, wandern wir durch eine Art buddhistischen Freilufttempel. Lange Fäden an die goldene Gebetsblättchen geknüpft sind wehen uns entgegen, und der ganze Berg fühlt sich an wie ein Tempel. Die Stimmung ist ausgelassen. Jung und alt sind unterwegs, energische Großeltern überholen uns mit federndem Schritt, Jugendliche in bunten Grüppchen beten gemeinsam an einem der unzähligen im Dschungel verstreut liegenden Altäre. Es scheint als wäre diese Pilgerfahrt ein Erlebnis für alle Generationen.
Den Berg im Kitchakut Nationalpark zu besteigen ist vielen gläubigen Thailändern eine Herzensangelegenheit, sie kommen aus teils weit entfernt liegenden Landesteilen hierher, um dem Heiligtum auf dem Berg ihren Respekt zu erweisen. Das Allerheiligste ist ein Fußabdruck Buddhas, eine in Stein gemeisselte, mit buddhistischen Symbolen geschmückte Form, die von den Gläubigen besonders verehrt wird. Der Fußabdruck stellt sinnbildlich Buddha dar und findet sich in unterschiedlicher Form über ganz Asien verteilt. Er soll den gläubigen Buddhisten daran erinnern, dass Buddha auf der Erde gegenwärtig war und einen spirituellen Weg hinterlassen hat, dem man folgen soll.
Aber all das wissen wir noch nicht, als wir neugierig dem Gipfel entgegen streben. Nach etwa einer Stunde haben wir das Ziel erreicht, betreten das Bergplateau und sind ganz stumm vor Überraschung. In lockerer Formation liegen gigantische Felsbrocken verteilt, Felsen mindestens so groß wie ein Haus. Man sagt, dass die natürlichen Felsformationen an eine Pagode, eine Schildkröten und an Elefanten erinnern. Das zu erkennen fällt mir ehrlich gesagt ein wenig schwer, aber es tut unserer Begeisterung keinen Abbruch. Zwischen den Felsen sitzen die Gläubigen, teils auch in orangene Roben gewandete Mönche, und meditieren oder singen. Wir setzen uns still an die Seite um die Menschen in ihrer Andacht nicht zu stören und beobachten die Zeremonie. Immer wieder werden die Gesänge von Ansprachen der Mönche unterbrochen, die per Lautsprecher über den ganzen Berg übertragen werden.
Und als wenn das alles noch nicht besonders genug wäre, ist die Aussicht vom 1050 Meter hoch gelegenen Gipfel einfach atemberaubend. Es ist mittlerweile später Nachmittag geworden und die langsam untergehende Sonne taucht das Geschehen in ein unwirkliches, rosafarbenes Licht.
Wir machen uns nun so langsam auf den Rückweg, noch immer strömen reichlich neue Besucher auf den Berg, ausgestattet mit Picknickkörben und manche auch mit Schlafsäcken. Sie kommen um den Sonnenaufgang am nächsten Morgen hier oben zu erleben. Hätten wir das vorher gewusst, wäre das für uns auch eine Möglichkeit gewesen, aber nur im T-Shirt und ohne eine Schlafmatte, wär mir das dann doch etwas zu ungemütlich. Mittlerweile ist es stockdunkel, und wir laufen den Berg wieder so hinunter wie wir auch raufgekommen sind. Vorbei an golden funkelnden Buddhastatuen und unzähligen Gebetsmühlen, erreichen wir den Ort an dem uns der Pickup Truck wieder einsammelt.
Ich gebe zu, dass ich mich vor dem Rückweg mit dem Truck ein wenig gefürchtet habe. Die Tatsache, dass wir jetzt mit irrem Tempo im Dunkeln fast senkrecht ABWÄRTS schlingern, macht die ganze Sache noch aufregender als auf dem Hinweg. Hoffentlich funktionieren die Bremsen...
Als wir schließlich unversehrt im Tal ankommen, bin ich heilfroh. Jetzt gilt es nur noch möglichst ohne Zwischenfälle mit dem Moped die 30 Kilometer zurück nach Chantaburi zurückzukommen.
Als ich am nächsten Morgen in meinem Bett im Baan Luang Rajamaitri Guesthouse aufwache, fühlt sich das Geschehen vom Vortag seltsam surreal an. Habe ich das Alles wirklich erlebt, oder hab ich nur geträumt?