Es klingt zu schön, um wahr zu sein: menschenleere Sandstrände, imposante Tropfsteinhöhlen und türkisblaues Wasser, in dem sich rosafarbene Delfine tummeln. „Wunschvorstellung“, denken wir uns, als unser Boot von Koh Samui kommend im Hafen von Surat Thani am Festland Thailands anlegt. Mal wieder einer dieser vermeintlichen Insider-Tipps, an denen nichts dran ist. Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen: Wir würden irren. Und wie wir irren würden. Wir würden vollkommen danebenliegen. Nach drei Tagen in der Provinz Nakhon Si Thammarat können wir festhalten: Wenn eine Region in ganz Thailand den Zusatz „Geheimtipp“ verdient, dann kann es nur diese hier im Süden des Landes sein.
Der Reiz der Unverfälschtheit
Dichte Regenwolken brauen sich am Himmel zusammen, als wir – noch etwas wankend – die ersten Schritte auf festem Untergrund machen. Wir sind nicht die einzigen: Mit uns verlassen etwa 200 Reisende das Boot. Sie werden, einer nach dem anderen, zum Weitertransport in Minibusse gesteckt. Bangkok. Phuket. Krabi. Destinationen, die man eben so kennt. „Where do you go“, fragt man uns. „Khanom!“ Wir müssen grinsen. Wie schon in den Tagen zuvor ernten wir mit unserer Antwort auch diesmal ungläubige Blicke. Und trotzdem wollen wir genau dort hin: in den kleinen Küstenort Khanom am südlichen Festland in der Provinz Nakhon Si Thammarat. „Insgesamt sind es erst wenige westliche Touristen, die man hier trifft“, steht in unserem Reiseführer geschrieben. Ob das wohl stimmt?
Ziemlich schnell erkennen wir: Der Reiseführer hat recht. Und wie er recht hat! Westliche Touristen bekommen wir innerhalb der nächsten drei Tage in der Tat kaum zu Gesicht – weder in unserem Hotel am menschenleeren Strand von Khanom noch bei den wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Region. Dafür umso mehr Einheimische – „Locals“, wie wir sie am liebsten nennen. Locals, die uns zum Nachmittagskaffee zu sich nach Hause einladen und solche, die uns einfach nur schüchtern zulächeln. Solche, die Selfies mit uns machen möchten oder mit den wenigen Sätzen Englisch, die sie beherrschen, ins Gespräch kommen möchten. Noch nie zuvor haben wir die thailändische Gastfreundschaft so unverfälscht, so echt und authentisch erlebt wie hier in der Provinz Nakhon Si Thammarat. Und: Noch nie zuvor waren wir in Thailand so nah am Leben der Menschen dran. Nein, mehr als das: Wir wurden Teil davon.
Hautnah dabei: wir erleben eine buddhistische Zeremonie
Auf einmal sind wir mittendrin. Umringt von der Dorfbevölkerung lauschen wir den Gebetsgesängen der Mönche und dann geht es Schlag auf Schlag: Wir bekommen einen Topf voller Reis samt Löffel in die Hand gedrückt und reihen uns in die Schlange ein. Zeit, um nachzufragen, was nun zu tun ist, haben wir nicht. Und so beobachten wir die anderen – und tun es ihnen gleich. Jedem Mönch, der an uns vorbeigeht, überreichen wir einen Löffel Reis und platzieren diesen in dessen Schale. Eine simple Tätigkeit könnte man meinen, doch wir haben während der ganzen Prozedur Herzklopfen und Gänsehaut. Noch nie zuvor waren wir einem thailändischen Mönch so nah – geschweige denn dutzenden Mönchen aus der ganzen Region. Denn wie wir später erfahren, fällt unser Besuch ganz zufällig in die Zeit einer der wichtigsten Zeremonien des Jahres, zu der die Mönche der umliegenden Dörfer in den Tempel reisen. Wir können unser Glück kaum fassen.
Abenteuer pur in der Tropfsteinhöhle
Von der meditativen Tempel-Atmosphäre führt uns unsere Reise in eine finstere, schwüle Tropfsteinhöhle. Welch ein Kontrast! Die Provinz Nakhon Si Thammarat beeindruckt uns einmal mehr, wie vielfältig sie ist. Mit Helm und Taschenlampe ausgerüstet und von einem ortskundigen Freiwilligen begleitet begeben wir uns ins Innere der Khao Wang Thong-Höhle. Es ist stockfinster, die Luft ist unerträglich stickig und der Weg gnadenlos rutschig. Mit jedem Schritt, der uns tiefer in die dunkle Höhle führt, merken wir, wie unser Pulsschlag steigt. Die Geräuschkulisse ist gespenstisch: Ein Tropfen nach dem anderen wird von der Schwerkraft nach unten gezogen. Monoton. Unaufhörlich. Mal leise und dann wieder ganz laut. Ansonsten hören wir nur unseren eigenen Atem, der kurz ins Stocken gerät, als wir das Herzstück der Höhle erreichen. Die Dimensionen sind nicht in Worte zu fassen. Und obwohl unsere Begeisterung für diese mystische Umgebung schier grenzenlos scheint, fällt uns ein Stein vom Herzen, als wir wieder frische Luft einatmen und den Himmel erblicken können.
Auf der Suche nach rosafarbenen Delfinen
Kaum zu glauben, dass wir schon so viel erlebt haben, aber eines der Highlights der Region noch auf uns wartet: rosafarbene Delfine. Ja, ganz recht! Hier im Golf von Thailand tummeln sich jede Menge rosafarbene Delfine im türkisblauen Wasser. Auf einem kleinen Fischerboot tuckern wir dahin – den Blick suchend auf das offene Meer gerichtet. Und dann, ganz plötzlich, erhebt sich eine Schnauze elegant aus dem Wasser, gefolgt von einer Flosse. Unser Kapitän stellt sofort den Motor ab, um die Tiere nicht zu vertreiben. Da! Noch eine! Und noch eine! Erst sehen wir sie nur in der Ferne, doch dann kommen sie näher und näher. Rosafarbene Delfine. Unfassbar!
Unser Resümee: „Geheimtipp“ ist untertrieben
Es war, als wollte uns die Provinz Nakhon Si Thammarat jeden Tag aufs Neue beweisen, wie viele Schätze sie für uns bereithält. Als wir glaubten, sie könne uns nicht mehr überraschen, tat sie es doch. Immer und immer wieder waren wir fasziniert von der unglaublichen Vielfalt der Provinz. Es gibt wenige Orte auf dieser Welt, die es verdienen, als „Geheimtipp“ bezeichnet zu werden. Nakhon Si Thammarat jedoch ist ein solcher.