Frühsommer 2023. Ich recherchiere Details für unseren Abstecher in den Khao Sok Nationalpark und eine riesige Vorfreude macht sich in mir breit: Ein eigener Overwater-Bungalow – mein erster! Mit Kajak vor der Tür, Badezimmer und Klimaanlage – und dazu in einer der schönsten Landschaften Thailands gelegen. So ein Paradies sieht man sonst doch allerhöchstens in Illustrierten oder auf Instagram. Im Nationalpark, dessen Regenwald zu den ältesten Tropenwäldern der Welt zählt, soll es sogar wilde Elefanten geben! Aber bei meinem Glück – ich bin nicht besonders talentiert, was Tiersichtungen angeht und habe schon Touren-Anbieter mit Tiergarantie an den Rand der Verzweiflung gebracht – werden die Tiere, die ich zu sehen bekomme, wohl eher diejenigen sein, auf die ich überhaupt nicht scharf bin: Spinnen, Schlangen und so mitten auf dem See natürlich Mücken. *
Es ist Sommer 2023: Es regnet Bindfäden, als wir den Cheow-Lan-See erreichen, wo uns Bibi, der Besitzer des 500 Rai Resorts am Pier abholt. Er wurde in einem Dorf geboren, das heute auf dem Grund des 1982 gefluteten Stausees liegt, und sagt, der See sei das Beste, was den Dorfbewohnern passieren konnte, die immer wieder mit Überschwemmungen zu kämpfen hatten. Auf der knapp 50-minütigen Bootsfahrt zu unserem Domizil wird schnell klar: Die Kombination aus smaragdgrünem, glasklarem Wasser, aus dem Wasser ragenden Baumstämmen und majestätischen Kalksteinkarstfelsen in allen erdenklichen Formen und Farben ist wirklich märchenhaft. Bei blauem Himmel und Sonnenschein würde man es hier vor lauter Naturschönheit wahrscheinlich kaum aushalten.
Entschleunigung und Abgeschiedenheit versprach das 500 Rai Resort auf seiner Website. Kein W-Lan, kein Handyempfang - „Connect to Reconnect“. Während mich solche Abgeschiedenheit anderswo nervös macht, würde ich hier am liebsten gleich für eine ganze Woche einchecken. Auf dem Steg vor meiner Hütte sitzen, die Füße im Wasser, ein Buch lesen. Im klimatisierten Schlafzimmer durch die bodentiefen Fenster die Wolken vorbeiziehen sehen. Mit einem leckeren Drink am Pool oder sogar im Pool Abkühlung suchen. Oder mit meinem Seakayak, von denen mindestens eines zu jedem Haus gehört, ein paar Runden auf dem See drehen.
Aber wir müssen noch einmal los: Bei einer Pirschfahrt mit dem hoteleigenen Longtailboot hoffe ich auf eine Elefantenszene wie früher in Afrika an der Wasserstelle. Leider reißt die „tierische“ Pechsträhne nicht ab: Es reicht nur für eine große, friedlich grasende Büffelfamilie und ein paar exotische Vögel. Man munkelt, die Dickhäuter seien erst gestern weitergezogen. Nur wohin?
Nach einem herrlich entspannten Abendessen und einer kurzen Nacht stehe ich am nächsten Morgen instinktiv pünktlich zum Sonnenaufgang auf. Ein paar letzte Wolken und das spiegelglatte Wasser sorgen für eine perfekte Morgenstimmung und durch die Urwaldgeräusche höre ich das Klicken der Kameras von den Terrassen rechts und links, bevor ich mich noch einmal für eine Stunde hinlege und die morgendliche Bootssafari schwänze.
Nach dem Frühstück heißt es langsam Abschied nehmen, was bei unserer Reisegruppe nicht gerade auf Gegenliebe stößt. Können wir nicht noch eine Weile bleiben und den geplanten Tagesablauf über den Haufen werfen? Unter Protest und mit dem Versprechen an die nette Hotelcrew, bald wiederzukommen, steigen wir mit unserem Gepäck ins Boot und genießen bei herrlichem Wetter eine Rundfahrt auf dem See. Außerhalb der Hauptsaison ist es ruhig und nur wenige Boote sind unterwegs. Wir sind wirklich an einem der landschaftlich schönsten Orte Thailands!
Zum Mittagessen sind wir in ein nahe gelegenes Floating Backpacker-Camp eingeladen. Schon auf dem Weg dorthin merken wir, dass es hier lebhafter zugeht - vor allem die englischen Rucksackurlauber*innen haben sichtlich Spaß und es wimmelt von bunten Luftmatratzen und mittags schon leicht angeschlagenen Freigeistern im Studentenalter. Erstaunlich, auf welch unterschiedliche Weise man diesen magischen Ort genießen kann!
Kaum angekommen, erzählt man uns, dass vor wenigen Minuten ein paar Elefanten am Ufer zu sehen waren. Von nun an stehen wir optimistisch mit gezückten Kameras in Ufernähe, doch außer einem wackelnden Elefantenohr, das wir im Wald vermuten, und dem Geräusch von brechendem Bambus ist nichts zu sehen oder zu hören. Die Rüsseltiere haben wohl noch zu tun. Etwas traurig nehmen wir an einem langen Tisch Platz, um unser originelles Mittagessen einzunehmen, das uns in traditionellen, stapelbaren Blechschüsseln serviert wird. Gerade als wir genüsslich unsere Löffel in das leckere Massaman-Curry tauchen, hallt ein Ruf durch das Camp: „Elephants out!“. Wir rennen zum nächstbesten Aussichtspunkt und tatsächlich. Eine Elefantenmutter kommt mit ihrem Jungen zum See, um sich zu erfrischen – erst zu zweit, später zu viert. Ich kann mich gar nicht satt sehen und habe sofort Tränen in den Augen: Meine erste asiatische Elefantenfamilie, was für ein großes Glück, so etwas Schönes erleben zu dürfen. Es ist erstaunlich, was für eine Ruhe diese riesigen Tiere ausstrahlen und wie ihr Anblick reicht, um allen Anwesenden ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern! Und ein echt thailändisches Massaman-Curry schmeckt ja nun wirklich auch kalt …
* Wir haben übrigens tatsächlich weder Schlangen noch Spinnen und entgegen allen Befürchtungen auch keine Mücken gesehen.